Märchenstunde

Erneut eine gelungene Märchenstunde der BA für Arbeit bei der Vorstellung der Arbeitslosenstatistik für April 2012 (pdf-Dokument).

2.963.325 gegenüber 3.769.658. Das macht schon einen „kleinen“ Unterschied, oder?
Aber wie immer, und besonders bei Statistiken, besteht die Kunst der „Politik“ ja nicht im Lügen, sondern im Weglassen. Oder eben hausgemachtem Schönrechnen.

Ich habe mir diesmal wirklich die ziemlich zeitintensive Mühe gemacht und mir die Statistik etwas genauer angesehen. Es ist offensichtlich, daß man für ein derartig produziertes, verwirrendes „Papier“ tatsächlich Heerscharen von scheinbar fern jeglicher Realität lebenden, bestbezahlten, steuerpflichtigen Erwerbstätigen braucht – um im Jargon zu bleiben. Weiterhin braucht es natürlich die unabdingbaren Gesetze, Durchführungsverordnungen und Arbeitsanweisungen.

Die weiter oben genannten Zahlen und die Übersicht befinden sich in dem Dokument ab Seite 70. Die Interpretationen der aufgeführten Zahlen ist dann allerdings noch eine ganz andere Sache.

Erstmal gilt der Grundsatz, wie bei jeder Statistik: „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.“. Also zweifle ich erst einmal grundsätzlich jegliche Richtigkeit der aufgeführten Zahlen an.

Dann kommt die Präsentation und Interpretation vor den deutschen Qualitätsmedien, nachdem die Zahlen politisch korrekt schöngerechnet worden sind und sich ein allgemein positives Bild ergibt.

Glaubt man nun den Zahlen immer noch, dann schaltet sich bei den meisten „Berichterstattern“ scheinabr das Hirn automatisch aus und sie übernehmen einfach die lustige Pressemeldung der BA, ohne sich auch nur im Entferntesten mit den wahren Hintergründen und Fakten zu beschäftigen. So, wie es sich eigentlich für eine guten Journalismus gehört.

Fakten aus dem Bericht:

„Nach einer vorläufigen Hochrechnung bezogen im April (Anm.: 2012) 5.250.000 erwerbsfähige Menschen Lohnersatzleistungen nach dem SGB III oder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II“

„Vor allem aus drei Gründen sind erwerbsfähige Leistungsberechtigte nicht arbeitslos (Anm.: und werden daher schön herausgerechnet). Ein Viertel der nicht-arbeitslosen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (632.000) ging im Dezember einer ungeförderten Erwerbstätigkeit von mindestens 15 Wochenstunden nach. Für knapp ein weiteres Viertel war eine Arbeit derzeit nicht zumutbar, weil sie kleine Kinder betreuten bzw. Angehörige pflegten (299.000), oder weil sie selbst noch zur Schule gingen oder studierten (307.000). Schließlich galt knapp ein Fünftel der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten allein deswegen nicht als arbeitslos, weil sie an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilnahmen (479.000). Darüber hinaus zählten 10 Prozent (247.000) nicht als arbeitslos, weil sie vorruhestandsähnliche Regelungen in Anspruch nahmen und weitere 10 Prozent der nichtarbeitslosen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten waren arbeitsunfähig erkrankt (255.000).“

„Im April lebten 4,52 Mio erwerbsfähige Leistungsberechtigte gemeinsam mit 1,71 Mio nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in 3,38 Mio Bedarfsgemeinschaften.“

Ob die „Experten“ es nun interpretationsmässig wie auch immer verbiegen – es bleibt die Tatsache, daß in Deutschland mindestens 6,23 Mio Menschen am Rande des Existenzminimums leben müssen, unmittelbar von Armut bedroht sind und dadurch ein nachhaltiger, volkswirtschaftlicher Schaden entsteht, für den sich noch unsere Kindeskinder bedanken werden. Da hilft auch keine veralbernde Schönrechnerei, schon gar kein „Augen zu und durch“ und auch kein Aussitzen. Da helfen nur Arbeitgeber, die nicht nur Geldkoffer tragen können, Arbeitsplätze und ein faires Einkommen, von dem man auch menschenwürdig leben kann.